Angst ist kein Argument fürs Homeoffice

von Sebastian Bluhm

Die gute alte Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber für Handlungen und Entscheidungen. Nach einer aktuellen nicht-repräsentative Umfrage von LinkedIn bei 1610 Mitgliedern in Deutschland arbeiten 19 Prozent lieber von Zuhause, um Infektionsrisiken zu minimieren. Derzeit bereiten viele Unternehmen die Rückkehr aus dem Homeoffice in die Büros vor, daher möchte ich mich gerade in Bezug auf Corona einmal mit dem Homeoffice, Zielen und auch Angst beschäftigen.

„Wer nicht täglich seine Furcht überwindet, hat die Lektion des Lebens nicht gelernt.“

Ralph Waldo Emerson

Falsche Motive und Ziele – Vor Corona

Homeoffice in Deutschland war vor Corona unterdurchschnittlich (im EU Vergleich) ausgeprägt. Mit Homeoffice verbanden viele den geduldeten Entspannungstag zu Hause, der auch für die Erledigung privater Dinge gut verwendet werden konnte. Als kleine Anekdote habe ich vor einem Jahr ein Telefonat an der U-Bahn Haltestelle nicht überhören können. Die junge Dame berichtete darin, dass Sie heute ein für sie wichtiges Paket zu Hause sehnlichst erwarten würde und daher Homeoffice machen würde.

In der Vergangenheit wurde keine wirkliche Diskussion über Homeoffice geführt, welche Motive und Ziele damit für alle Beteiligten im Raum stehen. Ohne eine solche Diskussion schiebt sich dann die gute alte „Notwendigkeit“ in den Raum. Dies bedeutet, dass persönliche Motive den eigentlichen Grund für Homeoffice lieferten. Die Unternehmen haben diese Diskussion ebenso nicht aktiv geführt, weil die Fragen zu Szenarien, Zusammenarbeit und Führung ungeklärt sind. Schlechte Führung im Büro (Kündigungsgrund Nr. 1 in Deutschland) einer Organisation wird sicherlich nicht besser, wenn dies nur noch virtuell erfolgen soll.

Angst ist kein Argument für Homeoffice

Die Debatte zur Angst ist leider ebenso eine „Mangeldebatte“, wie es so oft in vielen Bereichen erfolgt. Ich sehe klare und gute Argumente für die Arbeit im Homeoffice, ob dauerhaft oder nur von Zeit zu Zeit. Die Betrachtung hängt aber immer von den Aufgaben, der Persönlichkeit und den Rahmendaten ab. Nach meiner Erfahrung sind ganz wichtige Faktoren für Erfolg im Leben Selbstdisziplin und Selbstführung, flankiert von Mut. Erfolg im Homeoffice bedingt genau diese Faktoren, da die kontrollierenden und regulierenden (externen) Faktoren des Büroalltags wegfallen. Wenn man auf die Produktivität von Arbeitnehmern schaut, dann liegt die Blindleistung bei gut 50 Prozent, ein Wert der eben auch „Dienst nach Vorschrift“ und das Thema innere Kündigung beinhaltet. Daher kann ich nur jedem Raten, die volle Verantwortung für sich zu übernehmen und an sich selbst zu arbeiten. Es gilt dabei mit der großen Freiheit eben auch umgehen zu können. Homeoffice bietet immense Vorteile und Chancen, gerade für konzentriertes Arbeiten an komplexen Projekten. 

Angst als Initiator des Homeoffice

Die Coronapandemie hat eindrucksvoll die Wirkung von Angst und den Umgang damit veranschaulicht. In einer Krisensituation ist es sicherlich ein absolut probates Mittel, dass man auch mittels Angst Menschen zu Handlungen animiert, um schnell Entscheidungen und Maßnahmen umzusetzen. In solchen Phasen geht es um Schnelligkeit, Entscheidungen und Umsetzung. Gewisse demokratische Prinzipien und Regeln sind in solchen Phasen eher kontraproduktiv und werden temporär außer Kraft gesetzt.

Bezogen auf die Coronakrise sieht man dies exemplarisch an der flächendeckenden Umsetzung von Homeoffice, obwohl dies gesetzlich so nicht konform erfolgen kann (siehe Arbeitsschutzgesetz, Telearbeit, Datenschutz). In diesen Fällen bezieht man sich vielleicht auf höhere Gewalt (force majeure), um den eigentlichen Rechtsbruch zu legitimieren.

Kollektive Schockstarre und verordnete Angst

Ein Problem mit der Angst ist insoweit, dass man diese nicht einfach abstellen kann, wenn man möchte. Angst gehört als Emotion zu den Urinstinkten unserer Spezies, tief verankert im Gehirn. Zwar konnte mit der Angst schnell die gewünschte Handlung erreicht werden, bei vielen Menschen bleibt die Angst aber bestehen. Nach meinem Empfinden entwickelte sich eine regelrechte Schockstarre, vor allem in größeren Organisationen, die ansonsten sämtliche Aspekte der Arbeit mit Regelungen „totbürokratisiert“ haben. Für den Fall Corona gab es eben keine Dienstanweisung, hier wäre schnelles und mutiges Handeln notwendig.

Es wird eine große Herausforderung werden, ob man das Wirtschaftssystem zügig wieder hochfahren kann. Es zeigt sich in der Gastronomie oder im Einzelhandel, dass die Kunden eben nicht direkt zurückkommen und es ein langer Weg zur Normalität werden könnte.

Erschwerend kommt in dieser Situation die schwierige wirtschaftliche Gesamtlage hinzu. Wir standen im Januar 2020 bereits kurz vor einer Rezession, Corona wird diesen Prozess in vielen Branchen leider forcieren. Bei vielen Mitarbeitern wird die Coronaangst von der Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes begleitet bzw. abgelöst.

„Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt.“

John Wayne

Wir brauchen Mut für die Zukunft

Für die Herausforderungen der nächsten Monate und Jahre hilft uns die Angst keinen Meter weiter. Wir benötigen in allen Bereichen Mut für Veränderung und die Bereitschaft jedes einzelnen Risiken einzugehen. Vermeintliche Sicherheit ist leider nur ein Scheinriese, die Veränderungen der Gesellschaft sind damit nicht zu kontrollieren.

Ich bin zuversichtlich, dass die aktuelle Situation eine historische Chance für unser Land bedeutet. Die junge Generation Z hat schon mit den Klimaprotesten gezeigt, dass sie wirkliche Veränderungen will. Dieses Potenzial gilt es nun aktiv einzubringen und mit Verantwortung voranzugehen, um den Wandel in Deutschland positiv zu gestalten.





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